Die Herausforderungen in der Weltwirtschaft nehmen nicht ab – durch die steigende Globalisierung ist das Gegenteil der Fall. Zu den aktuellen Entwicklungen, darunter der derzeit stotternde Wachstumsmotor in China, die Unsicherheit über den Verbleib von Großbritannien in der EU sowie die ebenfalls noch nicht überwundenen Schuldenkrise in Griechenland kommen langfristige Megatrends hinzu. Diese beeinflussen die Weltwirtschaft signifikant. Die Weltbevölkerung wächst kontinuierlich und wird nach Schätzungen der UN im Jahr 2030 bereits die Marke von 8,5 Milliarden Menschen weltweit erreichen. In den Industrieländern wird das Bevölkerungswachstum voraussichtlich stagnieren und sich der Altersdurchschnitt erhöhen, wobei das Bevölkerungswachstum zu 90% Prozent auf Asien und Afrika entfallen wird.

Die schnelle Verbreitung von Technologie und Wissen stellt einen weiteren Trend und Wachstumstreiber dar. In Zukunft wird es keinem Land gelingen, einen technologischen Vorsprung lange für sich alleine zu beanspruchen. Viele Länder werden durch den Technologietransfer schnell von innovativen Technologien profitieren. Dies bringt eine Zunahme des Innovationsdrucks mit sich. Des Weiteren werden Digitalisierung und Vernetzung die Wirtschaft in den kommenden Jahren grundlegend verändern. Zudem wird durch die Digitalisierung, wie zuvor schon durch Dampfmaschinen, Elektrizität und Computer, eine neue Phase der industriellen Revolution ausgelöst (Industrie 4.0), welche ganze Wertschöpfungsketten erfasst und auch nicht vor den Chemieunternehmen haltmachen wird. Durch branchenübergreifende Innovationen, die das Potenzial haben, bewährte und erprobte Geschäftsmodelle zu erweitern oder zu ersetzen, werden die Grenzen zwischen Industrie und Dienstleistungssektor allmählich verschwimmen. Der Wettbewerb unter den ölfördernden Staaten in Kombination mit neuen Fördertechnologien hat bereits seit 2014, anders als von Experten erwartet, zu einem Überangebot an Öl und Gas geführt. Dies zog einen rapiden Verfall der weltweiten Preise für fossile Energieträger nach sich. Der Ölpreis wird mittelfristig zwar wieder steigen, dennoch bleibt Rohöl im Prognosezeitraum deutlich günstiger als bisher angenommen. Das Wachstum Europas und die Wettbewerbsfähigkeit der Chemie werden dadurch insgesamt gestärkt.

WIE WIRD SICH DAS WACHSTUM
DER GLOBALEN CHEMIENACHFRAGE ENTWICKELN?

Nach den aktuellen Projektionen wird die Weltwirtschaft bis 2030 durchschnittlich um 2,5 Prozent pro Jahr wachsen. Gegenüber der Vorgängerstudie des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) haben sich die Aussichten leicht eingetrübt. Die Weltwirtschaft wird weniger zulegen, als noch in der ersten Studie prognostiziert und auch das langfristige Wachstumspotenzial für China und viele weitere Schwellenländer hat sich abgeschwächt. Zusätzlich geht die Studie von niedrigeren BIP-Zuwächsen für die USA aus als in der vorangegangenen Studie. Die Wachstumschancen für die Industrie und damit der Bedarf an Maschinen und Chemikalien haben sich in den betroffenen Ländern abgeschwächt. Von der weltwirtschaftlichen Dynamik kann Deutschland bis 2030 profitieren. Bis 2030 wird die gesamte Wirtschaftsleistung (BIP) um 1,3 Prozent pro Jahr steigen, wobei der größte Wachstumsbeitrag zukünftig von dem privaten Konsum geliefert wird. Durch ihn wird der Außenhandel der deutschen Volkswirtschaft abgelöst. Die Investitionsschwäche wird ebenfalls allmählich überwunden. Mit 1,4 Prozent pro Jahr ist die Industrieproduktion sogar etwas stärker als das BIP. In den einzelnen Regionen sind die wesentlichen Wachstumstreiber unterschiedlich. In den Schwellenländern wird das Bevölkerungswachstum, der Wohlstand und damit auch die Nachfrage nach Alltagsprodukten zunehmen, wohingegen in den Industrieländern Themen wie Energieeffizienz, Umweltschutz und regenerative Energien als Treiber an Bedeutung gewinnen. Diese veränderte Nachfragestruktur führt zu einem kräftigen Wachstum der Industrieproduktion und dadurch auch zu einer steigenden Nachfrage nach Chemikalien. Das positive Fazit der Studie lautet daher: Im Prognosezeitraum steigt die globale Chemienachfrage um 3,4 Prozent und damit schneller als die Industrieproduktion (3,2 Prozent) oder die Gesamtwirtschaft (2,5 Prozent). Die Chemie ist somit ein dynamischer Wachstumsmarkt.

Sofern die energiepolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa die Wettbewerbsfähigkeit der Branche nicht weiter schwächen, wird der weltweite Chemiemarkt bis 2030 ein dynamischer Wachstumsmarkt. Er bietet Chancen für die deutsche chemisch-pharmazeutische Industrie und das Potential, an die Erfolge der Vergangenheit anknüpfen zu können. In Zukunft muss eine noch stärkere Ausrichtung als bisher auf forschungsintensive Spezialchemikalien und Pharmazeutika erfolgen, um den Wettbewerbsvorteil zu halten und auszubauen. Denn wie eingangs erwähnt, nimmt der Wettbewerb auch in diesem Bereich an Intensität zu. Technologische Fortschritte werden vorangetrieben und Chancen der Digitalisierung werden in Zukunft von der Branche genutzt. Auf Auslandsmärkten sowie im Inland wird die deutsche Chemie demnach mit hochwertigen Lösungen für anspruchsvolle Kunden punkten.

Die Aktualisierung der Studie des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) für das Jahr 2030 zeigt, dass Deutschland auch in Zukunft einer der bedeutendsten Chemiestandorte der Welt sein wird. Zu dieser erfolgversprechenden Strategie gehören folgende Komponenten: Chancen der Globalisierung nutzen, auf Spezialchemikalien und Pharma fokussieren, Innovationsoffensiven starten, Ressourceneffizienz erhöhen, Rohstoffbasis diversifizieren und Produktivität steigern. Des Weiteren sind die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen entscheidend dafür, dass sich die deutsche Chemie auf den globalen Märkten durchsetzen kann.

www.vci.de
Quelle: Verband der Chemischen Industrie (VCI)