Energieversorgungssystem der Zukunft:
Verbraucher, Erzeuger und Energieversorgungsnetze
sind miteinander vernetzt und
tauschen Informationen aus. KI unterstützt
uns dabei, die entstehenden Datenströme
zu koordinieren, zu verarbeiten und für eine
smarte Energieversorgung einzusetzen.

Welchen Beitrag kann künstliche Intelligenz (KI) leisten, um die Energiewende voranzubringen? Waspassiert mit unserer Energieversorgung, wenn wir immer mehr Energie aus wechselnden Quellen wie Sonneund Wind nutzen? Wie können dabei ausgerechnet Elektroautos zur Stabilisierung der Netze beitragen? An Lösungen zu diesen Fragen arbeiten Wissenschaftler/innen des DLR-Instituts für Vernetzte Energiesysteme in Oldenburg. Hier forscht die Arbeits- gruppe Energiemanagement an Methoden und Modellen für eine smarte und nachhaltige Energie- versorgung, die durch künstliche Intelligenz unterstützt wird. In diesem Blog einer mehrteiligenReihe erzählt Jan-Simon Telle vom Projekt EMGIMO, in dem es um die effiziente Strom- versorgung in Gewerbeimmobilien geht.

Mit steigendem Umweltbewusstsein wächst das Interesse in der Bevölkerung, sowohl Neubauten als auch Bestandsgebäude möglichst CO2-arm mit Energie zu versorgen. Hinzu kommt ein immer größerer Bedarf an Ladeinfrastruktur für Elektroautos. Folglich wächst auch derBedarf an lokalem Energiemanagement, um schwankende dezentrale Erzeugung aus Sonne und Wind und schwankende Verbräuche zeitlich aufeinander abzustimmen. Konkret heißt das zum Beispiel, dass auf dem eigenen Dach erzeugte Sonnenergie („dezentrale Erzeugung“), die abhängig von Tageszeit und Wetterlage ist, zeitlich auf den Verbrauch im Gebäude abgestimmt wird. Ineiner Gewerbeimmobilie zum Beispiel wird meist tagsüber gearbeitet, weshalb die Sonne in diesem Fall eine ideale Energiequelle ist. Durch intelligent werdende Messtechnik, so genannte „Smart Meter“ (einige von euch denken vielleicht an Marc Elsbergs „Blackout“), können zeitlich hochaufgelöste Energiemesswerteerfasst werden – das heißt nicht mehr nur alle 15 Mi- nuten gemittelte Energiewerte, sondern minuten- oder sogar sekundengenaue Werte.

ENERGIEMANAGEMENT MIT HILFE VON SMART METERN

Diese Werte lassen sich wiederum im Energiemanagementeinsetzen, um beispielsweise Prognosen des zukünftigenlokalen Energiebedarfs und der lokalen Erzeugung zu erstellen. Mit Hilfe solcher Prognosen können Ladevorgängevon Elektroautos oder Hausenergiespeichern derart verschoben werden, dass viel Strom vom eigenenDach genutzt und weniger Energie aus dem Netz bezogenwird. Groß gedacht wird so das Stromnetz entlastet undder deutschlandweite Ausbaubedarf neuer Stromleitungenreduziert.


KI hilft uns dabei, bestehende und neue Akteure aller Sektoren des Energiesystems(Strom, Wärme und Mobilität) so zu koppeln („Sektorenkoppung“), dass sie miteinander und nicht parallel zueinander arbeiten.

PROJEKT EMGIMO „LADEFAHRPLÄNE“ FÜR STROMSPEICHER UND ELEKTROAUTOS

Wie KI dabei hilft, Energieverbrauch und Energieerzeugungeines Gebäudes möglichst genau zu prognostizieren, um daraus beispielsweise Ladefahrpläne für Elektroautos zu erstellen, betrachten Forschende derArbeitsgruppe Energiemanagement innerhalb des ProjektsEMGIMO.

Im Rahmen von EMGIMO nutzen wir die Messdaten (wie Leistung, Energie, Strom, Spannung), um den voraussichtlichenEnergiebedarf und die wetterabhängige Verfügbarkeit von Eigenstrom (etwa vom eigenen Dach)vorausschauend und effizient aufeinander abzustimmen. Ein selbstlernendes Modell erkennt die Verbrauchsmustereinzelner elektrischer Geräte und erstellt eigenständig„Ladefahrpläne“ für Stromspeicher und Elektroautos. Dassteigert den Eigenverbrauch, senkt die Stromkosten undentlastet die Netze.

UNTERSUCHUNGEN UNTER REALEN BEDINGUNGEN IM REALLABOR

Um dies zu untersuchen, wurde ein Reallabor innerhalbeiner Bestands-Gewerbeimmobilie in München eingerichtet. Hier können wir unsere theoretischen Ansätze in die reale Welt übertragen. Um die neu errichtete 99,9kWp Photovoltaikanlage (PV) (diese dunklen Kästen, dieoft auf Dächern zu sehen sind und Sonnenlicht in elektrischenStrom umwandeln) und die sechs installierten Ladepunkte für Elektro-Pkw in der Tiefgarage sowiebereits vorhandenen Verbrauch zu erfassen, haben wirmehrere Messpunkte zur smarten Datenerfassung installiert. Das Energiemanagementsystem „sammelt“ die Werte zur weiteren Verarbeitung ein.

KI STELLT DURCH SELBSTERLERNENPROGNOSEN AUF

KI hilft uns insbesondere bei der Erkennung von Mustern aus Messwerten, der Optimierung von Betriebsstrategien oderder Erstellung von „low-cost“ selbstlernenden Prognosen. Letztere werden zum Beispiel eingesetzt, um abzuschätzen, wann die Sonne scheint und wie viel Energie unsere Photovoltaikanlage daraus erzeugen kann. Dafür erhaltendie Algorithmen neben historischen Messwerten auch Wetterdatenwie Außentemperatur, Bewölkungsgrad oder Luftfeuchtigkeit. Auf der anderen Seite versuchen wir mit einer Lastprognose vorherzusagen, wann und wie viel Energie Verbraucher (z. B. Fahrstühle, Licht, Computer, Kaffeeautomat) im Gebäude nutzen.

„FAHRPLANERSTELLUNG“ DURCH OPTIMIERTES ENERGIEMANAGEMENT

Die Prognose der Erzeugung und des Verbrauchs kombiniert das Energiemanagement anschließend, um einen Fahrplan zu erstellen: Wann lädt ein Auto optimalerweise; wann wird ein elektrischer Speicher geladen oder entladen? Da nicht alle Autos gleichzeitig ankommen, die Sonne nicht konstant scheint und wir bei den Prognosen auch Fehler machen, erfasst und verarbeitet das Energiemanagement alle Energiefl üsse im Gebäude und aktualisiert Prognosen regelmäßig, um bei Bedarf steuernd einzugreifen.

Durch den Einsatz eines KI-gestützten prognosebasierten Energiemanagements, können Verbraucher (z. B. Elektroauto und Waschmaschine), Batteriespeicher und Erzeuger (z. B. Photovoltaikanlage auf dem Dach) so koordiniert werden, dass sie möglichst viel CO2-armen Eigenstrom verbrauchen und nicht alle gleichzeitig Strom aus dem Netz beziehen.

Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst auf der Blogseite des DLRs erschienen.

www.dlr.de
Autor: Jan-Simon Telle (DLR e.V.)
Bildquelle: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR)